Sonntag, 15. Oktober 2017

Mut zu Fehlern

In einem Buch, das ich neulich las und in dem es um die Göttin Gaia geht, die die Welt in der Handlung erschaffen hat, sagt ihr Vater Uranus zu ihr: "Ich liebe die Erde. Mit ihren Fehlern. Die machen sie zu etwas ganz Besonderem."

Fehler sind etwas, das wir Menschen meist nicht gern sehen. Wir versuchen, sie möglichst zu vermeiden. Sie passieren natürlich trotzdem und werden auch immer wieder passieren.Was oft übersehen wird: Oft ist das Scheitern die Basis dafür, es richtig zu machen. Kleine Kinder, die laufen lernen, fallen unzählige Mal hin, bevor sie sicher auf ihren beiden Beinen stehen. So ein Kind waren wir auch mal, doch während wir im Eilschritt die Straße überqueren, vergessen wir allzu schnell, dass wir auch das erst lernen mussten. Bedeutende Schöpfer literarischer, gefeierter Werke haben in der 1. Klasse den Schwung beim kleinen a ganz sicherlich auch erst oft falsch gemacht, bevor sie ihre berufliche Laufbahn einschlagen konnten. Bei jenen Größen, die wir für ihre Leistungen bewundern, ahnen wir meist gar nicht, wie viel sie investiert haben, wie viele Fehler sie machen mussten, um überhaupt so weit zu kommen. Meister fallen nicht vom Himmel, das kann ich auch von mir selbst behaupten.

Vor Kurzem lernte ich in einer Sportstunde erstmals, Einrad zu fahren. Ich schaffte es bis Ende dieser Stunde, ein paar Meter freihändig zu fahren, ohne mich irgendwo festzuhalten. Fein, kann man sich denken, läuft doch. Was aber nicht außer Acht gelassen darf: Ich bin erst ziemlich oft vom Sattel gerutscht, bevor ich die freihändigen Meter schaffte. Auch als ich Jonglieren lernte, ließ ich die Bälle und Tücher erst oft fallen, bevor ich es konnte. Natürlich gibt es Menschen, die Begabungen für bestimmte Dinge haben, oder unterschiedlich schnell lernen. In den meisten Fällen ist jedoch ein wenig Arbeit angesagt, bevor man etwas gut kann.

Lernen heißt, es erst falsch zu machen, um es dann richtig zu machen. Indem wir wissen, wie es nicht geht, können wir auch besser einschätzen, wann etwas gut ist. Kinder, die sich auf Spielplätzen mit Klettergerüsten und Co nicht ausprobieren dürfen, sind im Nachhinein viel anfälliger dafür, sich bei Unfällen zu verletzen. Denn sie haben nie gelernt, richtig zu fallen oder riskante Situationen einzuschätzen. Demnach ist die eine oder andere Schürfwunde am Knie oder blutende Nase Teil des Lernprozesses. Fehler sind nicht immer böse, manchmal sind Fehler sogar hilfreich.

Es gab in der Geschichte Wissenschaftler, denen bei ihrer Arbeit im Labor Missgeschicke bei der Zusammensetzung bestimmter Substanzen unterliefen, woraufhin sie völlig unerwartet ganz neue chemische Stoffe entdeckten.
Für Künstler zudem sind Fehler keine Fehler, sondern kreatives Chaos. Wie man es betrachtet. Der Klecks an der Wand beispielsweise, der da nicht hingehörte, ein nicht sauber ausgestochener Zimtstern oder eine nicht symmetrisch gestutzte Gartenhecke. Die Welt ist halt nicht immer perfekt.

Ich denke, wenn wir das alles mit betrachten, dürfen wir es uns wirklich zugestehen, Fehler zu machen. Wenn wir uns das selbst nämlich erlauben, werden wir viel mutiger auf die Dinge und Menschen zugehen. Wir können uns mehr zutrauen, weil wir nicht die ganze Zeit davor Angst haben müssen, zu scheitern. Es heißt ja auch, dass man lieber Fehler machen und hinterher bereuen sollte, anstatt es gar nicht erst zu wagen. Auch wenn Fehler für Ärger sorgen und für Unglücke in unterschiedlichem Ausmaße verantwortlich und nicht immer rechtzufertigen sind, wenn keine Fehler passieren, wäre das Weltgeschehen ziemlich farblos und öde. Wir hätten weniger Potenzial, etwas zu lernen, wir würden vieles nicht zu schätzen wissen und wären gnadenloser gegenüber Menschen, denen ein Fehler passiert. Außerdem können unterschiedlicher Meinungen darüber kursieren, ob ein Fehler tatsächlich einer ist. Wenn eine Frau aus Versehen ein Kind kriegt und dies zuerst für einen "Fehler", einen "Unfall" hält, und sich das Kind letztendlich aber als Geschenk des Himmel entpuppt, hätten wir diesen Fall.

Fehler sind neben all unserem Können allzu menschlich. Gerade die kleinen Macken, die wir bei uns selbst als fehlerhaft empfinden, können uns liebenswert und zu uns zu dem machen, was wir sind. Wie Uranus in dem Buch, das ich gelesen habe, die Erde wegen ihrer kleinen Fehler so sehr liebt. Eine perfekte Welt mit perfekten Menschen finde ich, ehrlich gesagt, nicht erstrebenswert. Und hätten wir alle es wirklich so weit gebracht, ohne all diese kleinen und großen Fehler, die wir in unserer Vergangenheit gemacht haben? Ich bin davon überzeugt, dass Gewinnen und Scheitern näher beieinander liegen, als uns bewusst ist.